Maile mit Weile

„Ups! Diese E-Mail hätte ich besser gar nicht erst abgeschickt!“ E-Mails können Zeit sparen und neue Chancen eröffnen. Sie können aber auch Karrieren ruinieren und Krisen hervorrufen. Wie verhindert man den Ups!-Effekt?

E-Mail ist ein mächtiges und zugleich gefährliches Werkzeug.  Schnell sind einige Zeilen zusammengetippt – und ab geht die (elektronische) Post. Zu schnell, wie sich hin und wieder unverhofft zeigt. Im Gegensatz zu handgeschriebenen Briefen nehmen wir uns bei E-Mails nicht die Zeit, über den Inhalt und seine mögliche Wirkung auf den Empfänger nachzudenken. Zu Unrecht, denn eine Nachricht, unabhängig von ihrer Form, wird vom Empfänger stets auf die gleiche Art ausgewertet. Erschwerend kommt hinzu, dass ein elektronisches Schreiben mühelos an beliebig viele Empfänger versendet und weitergeleitet werden kann,  was eine diskrete Schadensbegrenzung erschwert.

Die elektronische Mail hat sich zum bevorzugten Medium für private und – vor allem – geschäftliche Kommunikation entwickelt. Im Jahr 2009 wurden weltweit schätzungsweise über 200 Milliarden E-Mails versendet, ausgetauscht zwischen mehr als einer Milliarde Accounts. Daher bildet ein geschickter Umgang mit E-Mails ein immer wichtigeres Kriterium für den beruflichen Erfolg.

Es gibt zum Thema „E-Mail-Knigge“ inzwischen unzählige Veröffentlichungen und Sachbücher. Dort findet man eine Menge guter Tipps, wie man sinnvolle Überschriften wählen kann, welche Anhänge man nutzen sollte usw. All das ist wichtig; noch wichtiger ist aber die Frage, was Sie in einer E-Mail überhaupt schreiben sollten. Und in welchen Fällen sollten Sie eine E-Mail besser gar nicht erst abschicken? Dazu einige Tipps von alten E-Mail-Prof

Noch einmal lesen

Haben Sie eine E-Mail verfasst, so ist dies zunächst bestenfalls eine Rohfassung. Für informelle Kommunikation genügt sie allemal, für Geschäftspost dagegen selten. Je bedeutender der Empfänger, umso wichtiger ist es, sich diese Regel zur Gewohnheit zu machen. Erste Abhilfe bringt das vollständige Durchlesen des gesamten Inhalts, Satz für Satz, direkt nach seiner Fertigstellung. Nach dieser Korrektur wird die E-Mail dann abgeschickt.

Doch das genügt nur in einfachen Fällen. Noch besser ist es, eine Zeitverzögerung einzuplanen. Wenn möglich, sollte der Inhalt zunächst als Entwurf gespeichert werden. Die meisten E-Mail-Programme stellen eine entsprechende Funktion zur Verfügung. Das erneute Lesen der E-Mail erfolgt später, eine Stunde oder – in besonders wichtigen Fällen – einen ganzen Tag. Probieren Sie es einmal aus, Sie werden häufig einiges neu fassen wollen oder verwerfen die E-Mail gar komplett, was nicht selten eine weise Entscheidung darstellt.

Nicht nur auf den Inhalt sollten Sie beim nochmaligen Lesen achten, sondern ebenso auf die allgemeine Korrektheit der Sprache (Rechtschreibung, Grammatik usw.). In einem professionellen Umfeld färben solche Anfängerfehler auch negativ auf den eigentlichen Inhalt der Nachricht – das Anliegen, das transportiert werden soll – ab.

Kurz fassen

Es gibt Zeitgenossen, die beim Erstellen elektronischer Nachrichten ihre literarische Ader entdecken. Auch, wenn es Spaß macht: Bedenken Sie, dass jeder weitere Satz missverstanden werden kann. Bei einer E-Mail trifft die Regel „Weniger ist mehr“ deshalb besonders zu. Es empfiehlt sich daher, einen bündigen Stil zu entwickeln.

Wie in anderen Kommunikationsarten sollte die Kerninformation in einer E-Mail richtig „verpackt“ werden. Die Struktur einer solchen Nachricht kann beispielweise wie folgt aussehen:

  • Betreff: Über jeder E-Mail sollte ein aussagekräftiger Betreff stehen. Der Betreff wird nach dem Absender als Erstes vom Empfänger betrachtet. Sehen Sie den Betreff ungefähr so wie die ersten Sätze, die Sie am Telefon sagen würden, um das Anliegen Ihres Anrufs zu erläutern.
  • Begrüßung – so viel Freundlichkeit muss sein.
  • Hinweis zum Kontext – warum der Empfänger die E-Mail erhält.
  • Der eigentliche Inhalt in kurzen, bündigen Sätzen – so wenig wie möglich, so viel wie nötig.
  • Hinweis auf die Bereitschaft, Rückfragen zu beantworten, ggf. mit Angabe weiterer Kommunikationskoordinaten wie z. B. einer Mobilfunknummer – dies vermeidet oft unnötigen weiteren E-Mail-Austausch in Fällen, in denen ein direktes Gespräch angebrachter wäre.
  • Schlusswort – formell (mit freundlichen …) oder informell (Gruß/viele Grüße …), je nach Empfängerkategorie.
  • Signatur –  vollständiger Name, Stellenbezeichnung, Adresse, Telefonnummer, Faxnummer, E-Mail-Adresse und Webadresse. Hierbei sind gesetzliche Vorgaben für geschäftliche E-Mails zu beachten (Handelsregisternummer, Angaben zur Geschäftsführung usw.)

Sollten Sie feststellen, dass der Hauptinhalt länger als eine Bildschirmseite zu werden droht, dann ist das ein Hinweis, dass möglicherwiese noch vieles zu klären ist. Ein persönliches Treffen (oder eine Videokonferenz) mit der betreffenden Person kann in diesen Fällen deutlich effizienter sein.

Nur gute Nachrichten verschicken

Wie jedes schriftliche Dokument werden E-Mails häufig mehrfach gelesen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es um Mitteilungen geht, die mit einem hohen Konfliktpotenzial behaftet sind. Bei schlechten Nachrichten macht der Leser spätestens nach dem dritten Durchlesen häufig Annahmen, die vom Absender der Nachricht so gar nicht gemeint waren.

Wenn möglich, meiden Sie das elektronische Medium bei allen Angelegenheiten, in denen es darum geht, dem Empfänger seine (vermeintlichen) Unzulänglichkeiten mitzuteilen, seine Arbeitsergebnisse in Frage zu stellen, oder persönliche Folgen einer organisatorischen Veränderung bekanntzugeben. Bei allen Unklarheiten dieser Art ist es empfehlenswert, entweder gar keine Nachricht zu schicken und die Person direkt zu kontaktieren oder (insbesondere bei räumlicher Trennung) ein Treffen zu arrangieren.

Dagegen ist es häufig sinnvoll, gute Nachrichten als E-Mail zu versenden. Unter diese Kategorie fallen Belange wie Lob für gute Arbeitsergebnisse, Anerkennung des besonderen Engagements und Danksagungen für Hilfestellungen.

CC mit Vorsicht anwenden

E-Mail per CC („Carbon Copy“, zu Deutsch Verteiler) zu versenden ist eine weitverbreitete Gepflogenheit. Oft wird aus „kriegsstrategischen“ Gründen der Vorgesetzte auf CC gesetzt, um die subjektive Relevanz der E-Mail in den Augen der Empfänger zu steigern. Manchmal dient „CC“ als eine Versicherung, dass man etwas bekanntgegeben hat und somit die Verantwortung für ein bestimmtes Anliegen nicht alleine trägt. Gelegentlich dient das CC als zweifelhafter Beweis dafür, dass fleißig gearbeitet wurde („Schaue her, ich tue Wichtiges!“).

Das tatsächliche Ergebnis ist allerdings häufig, dass E-Mail-Empfänger, um sich vor der Nachrichtenflut zu retten, sämtliche E-Mails ignorieren, die nicht direkt an sie gerichtet sind. Damit wird dann also das genaue Gegenteil bewirkt.

Kurz: CC nur, wenn es unbedingt sein muss.

Mit Bedacht weiterleiten – und Weiterleiten durch andere bedenken

Die Leichtigkeit, mit der man E-Mails weiterleiten kann, führt dazu, dass keinerlei Inhalt wirklich hundertprozentig sicher ist. Gehen Sie immer davon aus, dass Ihre E-Mails weitergeleitet werden können, und dies sogar womöglich an Empfänger, die bestimmte Nachrichten aus Ihrer Sicht nie bekommen dürften. Zugleich sollten auch Sie das Weiterleiten möglichst sparsam verwenden. Besonders kritisch wird es bei einer Weitergabe firmeninterner Nachrichten an Empfänger außerhalb des Unternehmens. Dies kann nämlich im Extremfall strafrechtliche Konsequenzen haben.

Im Zweifel: das Weiterleiten lieber sein lassen.

Der richtige Zeitpunkt

Schicken Sie wichtige E-Mails möglichst nicht noch schnell am Freitagnachmittag. Oft muss der Empfänger montags mühselig eine große Anzahl neuer Nachrichten abarbeiten. Ihre E-Mail sollte in diesem Pulk nicht untergehen. Sollten Sie die E-Mail doch zu einem ungünstigen Zeitpunkt fertiggeschrieben haben, dann speichern Sie sie als Entwurf und schicken Sie sie besser später.

Schnelllebige Zeiten

Die tägliche Informationsflut wird zunehmend als Normalität empfunden. Es werden zwischen Tür und Angel Kurznachrichten an Geschäftspartner geschickt, auf dem Fahrrad unterwegs zum Arbeitsplatz Geschäftspartner angerufen und dann noch ganz fix auf dem Blackberry eine E-Mail zwischen zwei Meetings zusammengetippt. Da könnte man sich schnell dazu verführen lassen, die Bedeutung des geschriebenen Wortes zu relativieren. Der Alltag sei nun mal schnelllebiger geworden und für das ordentliche Verfassen geschäftlicher E-Mails bleibe einfach keine Zeit.

Weit gefehlt. Natürlich bieten kurze, informelle Ad-hoc-Nachrichten ein wunderbares Instrument, die Komplexität der modernen Arbeitswelt zu meistern. Doch Vorsicht: Es gibt eben zwei Klassen elektronischer Nachrichten. Neben Ad-hoc-Mitteilungen nutzen wir E-Mail nämlich zunehmend als Briefersatz. Diese elektronischen Briefe sind dem Papier ebenbürtig und sollten nicht unbedacht verfasst werden. Maile mit Weile – für das Verfassen einer E-Mail muss ausreichend Zeit einkalkuliert werden. Andernfalls sollte sie lieber gar nicht erst in die Welt geschickt werden.

Roman Mildner
Über Roman Mildner 79 Artikel
Ich bin zertifizierter Projektmanager (PMP), Managementberater und Buchautor. Seit 1992 bin ich in der IT-Branche und seit 1998 als Managementberater tätig. Zu meinen Arbeitsschwerpunkten gehören Technologiestrategie und Prozessverbesserung, insbesondere im Bereich von Automotive SPICE. Weitere Details finden Sie hier.

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